Bericht zur SNFL 1981

von Norbert Wendt

Auf Wiedersehen, "Schlicktown Guten Tag, "Gent"

Der Wettergott half am Morgen des 24. Mai in Form strömenden Regens ein wenig mit,

die bevorstehende dreieinhalb monatige Trennung von Familie, Freunden und vertrauter Umgebung zu

erleichtern.

Nach, für viele, schmerzlichem Abschied von den Angehörigen, als auch den aufmunternden

Worten des Befehlshabers der Seestreitkräfte der Nordsee, Flottillenadmiral Thäter,

dauerte es dann nach Verlassen des Jadereviers nicht lange bis zu einem Wiedersehen mit der Sonne.
Der Transit nach Genf verlief ruhig und zeichnete sich mit einer Dauer von 26 Std. als kürzester Seetörn

unserer STANAV aus, wobei noch einige Zeit auf Schleusengang in Terneuzen und Kanalfahrt entfielen.

Der Seekanal wurde bereits 1827 fertig gestellt und ermöglicht seit Inbetriebnahme der neuen Seeschleuse 1968,

Schiffen bis zu einer Tragfähigkeit von 80 000 t die Einfahrt nach Gent.

In See waren wir bereits zur Force gestoßen, die sich am 26.5. aus dem Zerstörer "Claude v. Ricketts" (USA)

sowie den Fregatten „De Ruyter" (Flaggschiff, NL),"'Arrow" (GB), „Assiniboine" (CAN), "Köln" und

Braunschweig (D), „Westhinder" (B) und "Stavanger" (NOR) zusammensetzte. Die drei letztgenannten

Einheiten wurden in Gent aus dem Verband verabschiedet.


Gent, die Hauptstadt Flanderns, gelegen am Zusammenfluss von Leie und der Schelde, dokumentiert seine

herausragende kulturelle und kaufmännische Vergangenheit in Form eines weitestgehend erhalten

gebliebenen - und gehegten - historisch gewachsenen Stadtbildes. Die verschiedenen Baustile finden ihren sichtbarsten

Ausdruck in Gestalt zahlreicher Baudenkmäler, so der St. Bavokathedrale, die in einer ihrer prächtigen Kapellen

ein monumentales Rubens-Gemälde beherbergt.
Kaum weniger imposant stellen sich das Rathaus, der Belfried, die Nikolauskirche sowie die Gildenhäuser der früheren Zünfte dar.

Vor allem sei das 8oo Jahre alte, nichtsdestoweniger prächtig erhaltene Grafenschoß erwähnt, das keinesfalls nur aufgrund

seiner gut sortierten Folterkammer Bewunderung verdient.

Dem geschichtlich Interessierten bietet sich eine Fülle an Museen, stellvertretend sei nur das aus einer Abtei des 13- Jahrhunderte

hervorgegangene Archäologische Museum genannt.
Auch wenn Gent weitgehend den Eindruck erweckt, als sei das 2o. Jahrhundert an ihm vorbeigegangen, so bietet die Innenstadt

doch einige Reize in Form von Kaffeehäusern und Teestuben sowie Läden für belgische Spezialitäten wie feinstes Gebäck,

Schokolade und Porzellan an. Alles in allem stellt sich Gent als ungewöhnlich sehenswerte Stadt dar, deren ausgeprägte

Atmosphäre sich wohltuend von der hektischen Betriebsamkeit und Anonymität moderner Glasbetonburgen abhebt.

Als Referenz an die STANAVFORLANT stattete schließlich am 29. 5. Prinz Albert von Belgien der „De Ruyter" einen Besuch ab,

der durch Gestellung von Ehrenzügen und großem Flaggenschmuck der Force einen angemessenen Rahmen erhielt.

Von der Enge Europas in die Weite Kanadas

Unter Seefahrern ist es seit langem Brauch, eine Atlantiküberquerung verniedlichend als "Sprung über den Teich" zu bezeichnen.

Nach Verlauf unserer Atlantikpassage vom 3o.5. bis 8.6. mag sich der eine oder andere Bordangehörige eine abweichende Meinung

gebildet haben. Dabei zeigte sich der Wettergott zunächst gnädig. Bei einem RAS-Manöver mit der "Olmeda" herrschte freundliche Witterung,

ebenso beim Crosspol, dem Austausch von Besatzungsangehörigen in See via Highline.
Dann jedoch kam schweres Wetter auf: Wind vorherrschend aus Nordwest, in Böen über 4o km stark. Die "Köln" mit ihrem vergleichsweise

niedrigen Freibord, konnte die Marschfahrt der Force von 17 kn nicht halten und kämpfte sich über weite Strecken allein durch den Atlantik.

Auch die "De Ruyter" verließ zeitweise den Verband, um einen Schwerkranken zum nächsten Hafen, St. John auf Neufundland, zu bringen.
Das Wetter beruhigte sich erst, nachdem wir in dessen Landschutz gelangten. Etwa 750 sm vor Halifax begegneten wir endlich wieder einem Schiff,

dem griechischen Tanker "Neptun". Auf UHF Kanal 16 wünschten wir uns gegenseitig gute Fahrt. Mit 22 kn setzten wir dem Verband nach,

in den wir uns noch in See wieder eingliedern konnten, um an den letzten Übungen in See teilzuhaben.

Gerade während der Schlechtwetterperiode machten sich engagierte Soldaten um die Stimmung an Bord verdient,

indem sie zur Reinschiffzeit von der SVF aus ein buntes Programm aus Infos, Gags und Musikwünschen gestalteten.

Ihrem "Kind" gaben sie den Namen "RADIO KÖLN".
Im Verlauf der Zeit erwiesen sich unsere "Rundfunkmoderatoren" dieser anspruchsvollen Bezeichnung mehr als würdig und sorgten

damit für eine bald als selbstverständlich empfundene Bereicherung der Bordroutine.

New York 6 Tage im Zeichen des "Big Apple"

Den Höhepunkt des zweitägigen Transits von Halifax nach New York stellte der Sailpast für das scheidende Flaggschiff der Force,

die "De Ruyter", dar. Beim Sailpast formieren sich die Übrigen Schiffe in Kiellinie und werden von der sich verabschiedenden

Einheit nacheinander passiert. Dem Ideenreichtum, um dem Zeremoniell eine humorige Note zu verleihen, waren auch diesmal

kaum Grenzen gesetzt. Jedenfalls wurde es auf der "De Ruyter" wohl mit Genugtuung vermerkt, - nicht wie auch schon geschehen,

- mit Tomaten- und Eiersalven in die Heimat entlassen zu werden. Als Ablösung gesellte sich in New York die "Kortenaer" zu uns,

die niederländische Ausgabe der neuen NATO-Standardfregatte. Besondere Freude rief das Eintreffen des portugiesischen

STANAV-Beitrages, der "Almirante Magalhas de Correa, hervor - und dies nicht nur wegen ihres gerühmten Rotweintankes.

Probleme bereitete allenfalls ihr klingender Name, aber mit der Notlösung "Corega Tabs" kamen wir eigentlich ganz gut klar.
Vom 2. bis 8.7. war also Hafenbesuch in New York. Die gesamte Zeit über übte dieser Schmelztiegel der Völker eine einzigartige

Faszination auf uns aus. Dies begann bereits beim Einlaufen, beim Unterfahren der gewaltigen "Verrazano-Narrows-Bridge" mit ihrer

zweistöckigen Verkehrsführung kam man sich, wenn nicht hässlich, so doch ganz schön klein vor. Dann, beim Passieren

der Freiheitsstatue, war die Besatzung in Paradeaufstellung - zum ersten Mal während der Fahrt - ganz in Weiß.

Die letzten Meilen den Hudson hinauf zu unserem Liegeplatz in Manhattan verbrachten die Lords in fast andächtigem Staunen vor der

Kulisse der Wolkenkratzer. Die Eindrucksvielfalt, die während 6 Tagen auf uns einstürzte, war zu komplex und zu kontroverse um in

Kürze der Zeit verarbeitet zu werden. Soeben bestaunte man die kühn geschwungenen architektonischen Himmelsstürmer, da erschreckt

einen schon schmuddeliges Hinterhofmilieu mit verrosteten Feuerleitern und ausgeplünderten Autowracks. Ähnlich vielschichtig präsentierte

sich das Völkergemisch. Zwischen Geschäftsleuten im Nadelstreifen und herausgeputzten Beauties sämtlicher Nationaitäten die

Ausgestoßenen und Verwahrlosten: bei Tage auf Bänken schlafende Penner gleich gruppenweise, apathisch vor sich hinstarrende

Rauschgiftsüchtige, Pulks arbeitsloser Jugendlicher. Nimmt es da Wunder, dass New York ein Zentrum der Kriminalität darstellt,

dass wir gewarnt wurden, nur in Gruppen an Land zu gehen, gewisse Gebiete - wie die Bronx etwa - zu meiden?

Der Diebstahlskunst von Taschendieben fielen dennoch einige Kameraden zum Opfer, gottlob blieb es beim materiellen Schaden. Eine

Sorge ganz anderer Art: Brutkastenhitze in New York im Juli nährt zwangsläufig den Neid auf die anderen Force-Einheiten

und ihre klimatisierten Schiffe.
Ansonsten jedoch ein großzügig und durchdacht organisierter HarbourVisit: Info-Broschüren und Soft Drinks bereits auf der Pier,

kostenlose Benutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel - auch wenn sich die U-Bahn als ein einziges verdrecktes Labyrinth entpuppte

und erneut reichlich Einladungen "Dial a Sailorl". Freikarten für Musical-Besuche machen den "american way of entertainment"

transparent. Ein einzigartiges Erlebnis auch die Parade am 4. Juli anlässlich der 205. Wiederkehr des Unabhängigkeitstages der

USA. In den farbenprächtigen Umzug reihten sich auch Ehrenzüge unserer Schiffe ein.

Als besondere Attraktion besuchten uns am Einlauftag Playboy Bunny´s, im Gepäck die begehrten Magazine und Kalender.

Der Augenschmaus setzte sich fort mit dem Besuch von 50 Teilnehmerinnen der Miss-Universum-Wahl. Ein Vergleich zu Autos

drängt sich auf: wer einmal einen Ferrari aus nächster Nähe erlebt hat, der ist für einen Golf so schnell nicht mehr zu begeistern.

Optische Eindrücke nicht ganz so aufregender Art bieten sich beim Blick vom Empire State Building oder World Trade Center.

Sie erwecken Begeisterung und Beklemmung zugleich: wer möchte in dieser Stadt als Verwaltungschef tätig sein?

Was zählt das einzelne Individuum?

Eine kleine Sensation auf der Schanz: der deutschsprachige Rundfunksender WFUV zeichnet eine Sendung an Bord unserer "Köln" auf.

Die Ausstrahlung wenige Tage später wird von der deutschstämmigen Bevölkerung in New York und dem angrenzenden New Jersey mit

Begeisterung aufgenommen. Besonders Bordband und Chor ernten ein dickes Lob Obendrein erfolgt eine Überspielung via Satellit zu

WDR, NDR und Radio Bremen, wo die Aufnahme von der "Köln" ins Hafenkonzert aufgenommen wird.

Beeindruckend auch der Andrang zum Open Ship. An beiden Tagen jeweils fast 3000 Besucher, die stundenlang diszipliniert

in endlosen Reihen stehen, um endlich die Schiffe hautnah erleb zu können.

Ein Fazit des New-York-Besuchs?

Es scheint besser, dass sich ein jeder, mit dem erforderlichen zeitlichen Abstand, sein eigenes Urteil bildet. Oder um den von der

New Yorker Bevölkerung genutzten Spitznamen "Big Apple" aufzunehmen, ein in der Tat riesengroßer Apfel mit glänzender Schale,

wenn auch mit einigen wurmstichigen Stellen.

In Boston bleibt man gern länger ...

Nach Auslaufen New York führte der Weg die Force wieder nördlich bis in die Übungsgebiete vor Halifax.

Dieser Seetörn versprach zunächst äußerst angenehm zu werden: herrliches Wetter lud die Freiwächter zum Sonnenbaden ein,

zugleich entsann man sich des segensreichen Einsatzes unseres bordeigenen "Swimmingpools".

Im Verlauf des 9-tägigen Übungsabschnitts gewann jedoch bald der Eindruck harter Arbeit die Oberhand: Das Wetter verschlechterte

sich ständig und bescherte uns ein reichliches Maß an Nebelfahrt, zudem hielt das voll gepackte Übungsprogramm nicht nur

U-Jagd und Artilleriepersonal in Atem. Wer in Erinnerung an die Portlandausbildung die STANAVFORLANT für eine Kaffeefahrt

gehalten hatte, wurde spätestens jetzt eines Besseren belehrt. Rechtzeitig vor Einlaufen Boston gab sich der Wettergott wieder von

seiner gönnerhaften Seite. Dafür zogen Wolken anderer Art über der "Köln" auf. Eine Erkrankung ernster Natur zwang unseren

Kommandanten zu einem Krankenhausaufenthalt, der unsere Liegezeit in Boston schließlich bis zum 30.7. verlängerte. Damit wurden

wir ein Opfer von auch durch sorgfältigste Planung nicht einkalkulierbarer Unwägbarkeiten. Bei Auslaufen Halifax bereits war

die "Assiniboine" auf eine Flachwasserstelle aufgelaufen und stand damit dem Verband bis auf weiteres nicht mehr zur Verfügung.

Nun mussten wir selbst am eigenen Leibe spüren, für mehr als eine Woche zum STANAV-Landkommando

umfunktioniert zu sein. Kaum jemand wird jedoch behaupten, ihm sei der Aufenthalt in Boston zur unerträglichen Qual geworden.

Dazu ist die Hauptstadt von Massachusetts viel zu abwechslungsreich. Die Attraktionen sind weit gefächert, nicht nur den

Amateur-Historiker zog der Freedom Trail, der durch rote Pflastersteine gekennzeichnete Rundweg zu den zahlreichen geschichtsträchtigen

Stätten Bostons, in seinen Bann. Genannt seien nur die "U.S.S. Constitution", das älteste im Dienst stehende Schiff der U.S. Navy,

deren doppelreihige Kanonen nicht nur eingeschworene Artilleristen zu einem bewundernden Staunen veranlasste, sowie die "Beaver",

Rekonstruktion eines der Schiffe, die in den Aufstand der Amerikaner gegen überzogene Abgabeforderungen des britischen Mutterlandes

verwickelt waren, eines Ereignisses, das heute als "Boston Tea Party" auch in den Englischbüchern deutscher Schulen seinen festen Platz hat.

Als Anziehungspunkte erwiesen sich gleichfalls das Museum of Fine Art, das Museum of Science sowie das New England Aquarium mit

seinem u.a. von Haien und Riesenschildkröten bewohnten Rundbassin und seiner Delphinshow.

Aber auch wer nur durch die Stadt streifte, wurde von der großzügigen, abwechslungsreichen Architektur fasziniert, die, im Gegensatz zu so

vielen Großstädten dieser Welt, eine gelungene Synthese aus alt und neu darstellt.

Gerade nach dem vorhergegangenem Besuch des schier unüberschaubaren Schmelztiegels New York wurde das ungleich sauberere,

einer europäischen Metropole ähnelnde, Boston als Wohltat empfunden. Fast alle Sehenswürdigkeiten dieser Stadt erwiesen sich als mühelos

zu Fuß erreichbar, und wer sich einen Überblick über das Stadtbild verschaffen wollte, konnte dies vom im 6o. Stockwerk des

John-Hancock-Towers befindlichen Observatorium aus tun. Quincy Market - jedem "Köln"- Angehörigen ein vertrauter Begriff.

Die Ladenzeilen mit ausgefallenen Läden, Restaurants und Cafes wurden rasch das Anlaufziel der Seeleute. Am faszinierendsten in

Boston war jedoch die unkomplizierte, gastfreundliche Art der Bevölkerung. Das Open Ship der Force nahm fast Volksfestcharakter

an, der Boston Broadcast strahlte vom Ü-Wagen Interviews mit Besatzungsangehörigen aus, der Boylston-Schul-Verein, ein

deutschamerikanischer Club, lud die "Köln" Besatzung zweimal zum Tanz ein, das deutsche Generalkonsulat gab sich alle Mühe,

den verlängerten Aufenthalt nicht langweilig werden zu lassen, das 2:7 Resultat, unseres Bordfußballteams gegen die Norwood Kickers

trübte die Stimmung keineswegs. Vor allem jedoch waren es die vielen privaten Einladungen und Kontakte, die uns das Gefühl gaben,

mehr als willkommene Gäste zu sein. Wohl jeder wird Boston in guter Erinnerung behalten und manch einer wird sich wünschen,

es irgendwann einmal wieder sehen zu dürfen ......

Südkurs ...

Als Folge des verzögerten Boston-Auslauftermins stellte sich die darauf folgende Seefahrt als eineinhalb tägiger

Transit nach Norfolk, Virginia, dar. Der sich anschließende 48stündige Aufenthalt erwies sich als zu kurz, um den größten

Marinestützpunkt der Welt und sein Umland richtig kennen zulernen. Beeindruckend jedenfalls schon beim Einlaufen sowohl

Anzahl als auch überwiegend die Größe der hier beheimateten Schiffe. Faszinierend nicht allein Superträger wie "Nimitz" oder "Kennedy",

sondern desgleichen die Parade der Atom-U-Boote, Hubschrauberträger, Kreuzer, Zerstörer und riesenhaften Versorger. Im Hintergrund

war es ein Zeuge glanzvoller Atlantiküberquerungen: die "United States", heute als Unterkunftsschiff der U.S. Navy im Dienst.

Die unmittelbare Umgebung der Pieranlage erwies sich als reichlich trist, geprägt durch riesige Parkflächen, öde gestaltete Versorgungsgebäude

und ein abstoßend hässliches Gewirr von Rohrleitungen. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch eine wahre Sonnenglut, die wiederum

den Aufenthalt an Bord fast unerträglich machte.

Ausflüge nach Williamsburg, der im Stil des 18. Jahrhunderts restaurierten Kolonialhauptstadt Virginias, als auch zum Vergnügungspark

Bush Garden boten einem Großteil der Besatzung Gelegenheit, die ständige Marineatmosphäre für wenige Stunden zu vergessen.

Als angenehme Dreingabe wurde von vielen die Einkaufschance im "Navy Exchange Store" begrüßt, auch wenn der Ladenbummel für uns

Deutsche an Attraktivität eingebüßt hat: der Dollar ist für uns halt zu teuer geworden.

Zwischen dem 3- und 13- 8. standen Übungen im Sargasso-Meer auf dem Programm, die uns bis auf ca. 2oo sm an Puerto Rico

heranführten. Nach U-Jagd-Übungen mit der nukleargetriebenen "U.S.S. Bergall" führten wir hauptsächlich simulierte Angriffe auf einen

amphibischen Großverband durch. Daneben war es für einen Großteil der Besatzung eine neue Erfahrung, für den Verlauf einer Woche

im sechsstündigen Kriegsmarschrhythmus von Wache und Erholungszeit zur See zu fahren. Die Strecke vom Übungsgebiet nach Baltimore

wurde gewürzt durch ein Photex, bei dem die STANAVFORLANT von einem Helikopter aus in verschiedenen eng gefahrenen

Formationen abgelichtet wurde sowie von einem Funex, das mit spaßigen Aufgabenstellungen zum Vergleich in der Force einlud und in

gleicher Punktsumme für jede Einheit ein salomonisches Urteil fand. Wer diesen Übungsabschnitt erwähnt, ohne auf die klimatischen

Bedingungen einzugehen, macht sich einer Unterlassungssünde schuldig. Selbst des nachts sanken die Temperaturen nur knapp

unter 3o Grad Celsius, und so angenehm Brückenwachen in Shorts und Sandalen unter. diesem Aspekt auch waren, die schiffstechnischen

Wachen wurden bei Betriebsraumtemperaturen von 40 bis 50 Grad oft bis über die Grenze des Zumutbaren hinaus gefordert.

Ein schiffstypisches Übel freilich machte allen Besatzungsmitgliedern zu schaffen: Schlaf ließ sich in den stickig-heißen Decks und Kammern

kaum finden. Das Oberdeck erinnerte bisweilen an einen groß dimensionierten Schlafsaal.

Der einzig wirklich angenehme Aufenthaltsort war während dieser Zeit auf der Schanz zu finden: der bordeigene, „Swimming-Pool".

Gab es vor Fahrtantritt noch Kameraden, die die Eigenkonstruktion belächelten, so waren sich nach dieser südlichsten Übungsphase

alle einig: das Mini-Schwimmbad hat sich mehr als bewährt...

Gelungenes Finale ... Baltimore

Wir schreiben den 13. August.

Letztmalig im Rahmen unserer STANAV- Teilnahme erhalten wir, sonnenmüde von unserem Südtrip, die Chance, den

American Way of Life hautnah zu erleben. Baltimore, im Bundesstaat Maryland gelegen, erwartete den Besuch der NATO-Force.

Bei der Einfahrt auf dem Patapsco-River zeichnete sich auf unseren Gesichtern eine gewisse Skepsis ab: unser Weg führt vorbei an

ausladenden Fabrikbauten; man fühlt sich ins Ruhrgebiet ausgangs des 19. Jahrhunderts versetzt. Dann, als unser Liegeplatz in Sicht kommt,

erhellen sich die Mienen, ja, geradezu begeistert nehmen wir wahr, in welcher Umgebung wir die nächste Woche zubringen werden.

Eingerahmt vom brandneuen National Aquarium und dem würdigen U-Boots-Veteran "Torsk" wird die "Köln" für die kommenden Tage

zu einer der Attraktionen Baltimores. Dabei fehlt es am Inner Harbour, gestaltet von dem Architektenteam, das auch Bostons

Quincy Market gestaltete, ohnehin nicht an Anziehungspunkten. Da gibt es die "U.S.F. Constellation" deren Anblick beweist,

dass Kampfkraft nicht erst ein Begriff unserer Tage ist. Schräg gegenüber ragt das neue World Trade Center 27 Stockwerke

hoch in die 'Luft. Vor allem sind es jedoch die Cafes und Shops, Segeljachten und Straßenmusikanten, die Inner Harbour ein

anziehendes Gepräge verleihen. Geradezu malerisch wirkt vor dieser Kulisse, so seltsam es klingt, die Armada der sechs STANAV- Schiffe.

Zu fast jeder Tages- und Nachtzeit spazieren die Bürger von Baltimore an unseren Einheiten vorbei. Gespräche zwischen Marinesoldaten

und Zivilisten entstehen ohne Hemmschwelle und münden nicht selten in private Einladungen. Für Baltimore gilt in besonderem Maße,

was wir überall in den Staaten und Kanada erlebten :die herzliche, unkomplizierte Art und Spontaneität der Menschen in der Neuen

Welt sollte gerade für uns Deutsche, die wir uns oft so stur und distanziert verhalten, ein Lehrstück in Sachen Gastfreundschaft sein.

Ausdruck fand diese Haltung u.a. bei einem Crew Picnic im Latrobe Park, zu dem alle Lords der Force eingeladen waren,

das mit Bier, Imbiss, Live-Music und, last but not least, der Anwesenheit hunderter Baltimore-Mädchen ein voller Erfolg wurde.

Ähnlich eindrucksvoll das Echo unseres Besuchs in den Massenmedien. Täglich fanden sich ausführliche Berichte über unsere Force

und die Soldaten in den Zeitungen, verbunden mit der Aufforderung, uns den Aufenthalt in Baltimore so angenehm wie möglich zu machen.

Einer solchen Aufforderung hätte es jedoch wohl kaum bedurft. Derjenige der in Baltimore keine Kontakte fand, sollte die Schuld bei sich

suchen ...

Daneben gestattete die verkehrstechnisch günstige Lage der Stadt zahlreichen Besatzungsmitgliedern, zwei Glanz .Lichter der Staaten kennen zulernen;

die Entfernung von 4o Meilen ließ die Bus Touren nach Washington D.C. nicht zur Tortur ausarten. Ähnlich unkompliziert gestaltete sich der

Anmarsch nach Annapolis, der Stätte der berühmten United States Navel Academy.

Ohne der persönlichen Wertung jedes einzelnen vorgreifen zu wollen: Baltimore entpuppte sich, sowohl aufgrund des Reizes des

Inner Harbour als auch wegen der Aufgeschlossenheit seiner Bevölkerung, als würdiger (Hafen-) Schlusspunkt unserer STANAV.

Nicht wenige werden es bedauern, dass ein Flug dorthin eine Zeit-, mehr noch eine kostenintensive Angelegenheit darstellt.

18 Tage nonstop - letzter und längster Seetörn

Mit Auslaufen Baltimore hatte die Besatzung ein klares Ziel vor Augen, hieß doch der nächste Anlaufort Wilhelmshaven.

Davon freilich trennten uns noch einige tausend Meilen, und, mehr noch, fast drei Wochen. Den Löwenanteil dieser Zeitspanne

teilen sich die Manöver "Ocean Venture" und "Magic Sword North", die sich nicht nur wegen der Teilnahme der STANAV-Force

einen internationalen Anstrich geben. Vielmehr sind wir nur Beiwerk dieser groß angelegten Seeübungen, die geprägt sind durch

Superträger wie "Eisenhower" und "Forrestal", ausladende US-Versorger und hochmoderne FK-Kreuzer und -Zerstörer.

So erleben wir in erster Linie allenfalls die Monotonie einer langen Seefahrt, in deren Verlauf wir mehr mit dem Klimawechsel,

Schlechtwetterperioden und Wasserknappheit zu kämpfen haben, denn mit (Übungs-) Gegnern.

Während der letzten Phase sind es drei bordinterne Ereignisse, die das Warten auf den Heimathafen überbrücken helfen, und dank

der Initiative der Besatzung, zu echten Höhepunkten werden.

Die Bordolympiade an dieser Stelle ausführlich behandeln zu wollen, hieße, die Vorfreude auf die Darstellung von Guidomus Pankaldius

zu verwässern. Nach Überschreiten des Polarkreises, mit vom jüngstem Offizier, unserem ORTO, zünftig blau gepönter Schiffsnase,

sehen 152 Täuflinge erwartungsfrohe doch auch ein wenig ängstlich, ihrer Taufe und Aufnahme in den elitären Kreis der

Polarfahrer entgegen. Hier geben die Bilder dieses alten Seefahrer-Zeremonielle sicher mehr wieder als seitenlange Schilderungen.

Sailpast! Mit eintägiger Verspätung infolge vorausgegangenen Schlechtwetters nimmt die "Köln" am 6. Sept. Abschied von der

STANAVFORLANT - dank der Ideen und des Arbeitsfleißes vieler Besatzungsmitglieder farbenfroh und humorig umgewandelt.

Der darauf folgende Tag 14 Uhr, Am Molenkopf der 4. Einfahrt warten zahlreiche Angehörige bereits auf die Rückkehr des

Sohnes, Ehemannes oder Freundes. Als kameradschaftliche Geste präsentieren sich die übrigen Fregatten des 2. Geleitgeschwaders

in Paradeaufstellung

Das wär's.
Schlicktown hat uns wieder.

Im Heckspiegel betrachtet ...

Nach dem Wiedersehen mit Freunden und Verwandten sowie dem lange entbehrten Genuss, den engen Schiffsraum gegen die persönliche

Atmosphäre privater Räume eintauschen zu können, erfasst uns nur allzu schnell wieder der Alltagstrott. Das gilt sowohl für diejenigen,

die an Bord der "Köln" verbleiben als auch für die Kameraden, die ihre Dienstzeit auf unserem "Dampfer" beenden. Dies ist aber auch die

Phase, die es ermöglicht, die Flut der während der STANAV auf uns eingestürzten Eindrücke zu verarbeiten und einzuordnen.

Erst ein gewisser zeitlicher und räumlicher Abstand verdeutlicht den außergewöhnlichen Stellenwert, den diese Fahrt in der Erinnerung

eines jeden von uns behalten wird.

Die Gedanken werden Zurückgleiten an das beschauliche Gent, das liebenswerte Halifax, das pulsierende New York, das kultivierte Boston,

das „King-Size-Wilhelmshaven" Norfolk" und das aufstrebende Baltimore. Man wird sich entsinnen an das Kennen lernen der

Soldaten unserer NATO-Partner und sicher auch an die Reihe von Übungen, die, zumindest in dieser Form, nicht zum Alltag der

Bundesmarine zählen. Dabei stellt sich wohl auch die Frage, „Hat es sich gelohnt?"

Was die Köln" betrifft, so muss die Antwort im Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit und den Ausbildungsstand der Besatzung eindeutig

bejaht werden.

Wie aber sieht die Bilanz eines jeden Einzelnen aus? im Verlauf einer dreieinhalb monatigen Zeitspanne gewinnt man zwangsläufig,

kontroverse Erfahrungen, die obendrein in kurzen Abständen auf einen einstürzen und entsprechende Stimmungsschwankungen auslösen.

So sind die Hafenaufenthalte überwiegend positiv zu beurteilen, während die Seetörns nahezu die gesamte Palette dessen abdeckten,

was Seefahrt bedeuten kann: glühende Hitze neben empfindlicher Kühle, spiegelglatte See neben Sturmroutine, aufreibende Übungsfülle

ebenso wie stupide Routine. Hinzu kommen die baulichen Nachteile der „Köln", vor allem die fehlende Klimatisierung. Es handelt sich

bestimmt nicht um eine Vergnügungsfahrt, eher im Gegenteil; die Annehmlichkeiten der Häfen galt es während der Seefahrt teuer zu bezahlen.

Letztlich muss jeder unserer STANAV- Teilnehmer selbst entscheiden, ob er den Aufwand für überhöht oder angemessen hielt.

Zum guten Schluss gebührt mein aufrichtiger Dank all den Kameraden, die mir in den verschiedenen Phasen der "Buchwerdung" zuarbeiteten.

Eine namentliche Nennung birgt die Gefahr in sich, irgend jemand zu übergehen. Ob es sich nun um Tipparbeit, 'Erlebnisberichte oder

das Abtreten von Fotomaterial oder einfach nur das Einbringen neuer Ideen dreht - hätte ich nicht die Unterstützung aus dem Kreis der

Besatzung erfahren, die "Idee" würde niemals Gestalt angenommen haben.

E pluribus unum - die Losung der NATO, dass sich viele zusammentun zur Verwirklichung eines Ziels, hat auch in Bezug auf die "Köln"

ihre Gültigkeit bewiesen.

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